Industriebefragung: Belastungen durch Lieferkettenprobleme

Lieferkettenstörungen sind eine Belastung für Industrieunternehmen, die bis hin zum Produktionsstillstand führen können. Dies war im vergangenen Jahr an 32 Tagen der Fall. Um sich diesem Problem entgegenzustellen, will die Mehrheit der Unternehmen auf die Diversifizierung der Lieferketten setzen.

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Teileknappheit und Lieferkettenchaos sind mittlerweile Routine in der deutschen Industrie. Die Erwartung einer Entspannung hat sich verringert. Störungen in der Lieferkette halten nach wie vor 84 Prozent der deutschen Industrieunternehmen in Atem. Für den Lieferkettenreport im Auftrag von Reichelt Elektronik wurden 500 Entscheider aus unterschiedlichen Industriezweigen befragt.

Unternehmen hoffen auf Verbesserung

Fast die Hälfte (46 Prozent) der Industrieentscheider glaubt an eine künftige Verbesserung der Lage, während 43 Prozent vom Gegenteil überzeugt sind. 2021 blickten noch fast zwei Drittel positiv in die Zukunft. Obwohl die Mehrheit (54 Prozent) der Umfrageteilnehmer Verluste in den letzten drei Jahren hinnehmen musste, sind sie zuversichtlich in Bezug auf die Resilienz ihres eigenen Unternehmens. Sie sind der Ansicht, dass diese Einbußen durch die Einführung eines zuverlässigen Systems zur Überwindung von Schwierigkeiten in der Lieferkette kompensiert werden konnten (67 Prozent).

32 Tage Stillstand

Werden Materialien in den Lagerbeständen knapp und verspäten sich Lieferungen, kann die Produktion zum Erliegen kommen. Während 2021 durchschnittlich 35 Tage und 2022 durchschnittlich sogar 46 Tage Produktionsstillstand zu verzeichnen war, konnten die Unternehmen im Jahr 2023 an nur 32 Tagen nicht produzieren. Immerhin waren 19 Prozent der Befragten trotz der Hürden gar nicht betroffen.

Der Trend geht nach wie vor zur Erhöhung der Lagerbestände als eine der ersten Gegenmaßnahmen zu Lieferengpässen. Im Jahr 2021 verfolgten 44 Prozent der Unternehmen diese Strategie, 2022 waren es 50 Prozent. Auch dieses Jahr hat sich kaum etwas geändert, da knapp die Hälfte der befragten Unternehmen diese Strategie verfolgt, und weitere 36 Prozent planen ihre Bestände für bestimmte, kritische Komponenten in den kommenden zwölf Monaten weiter aufzustocken. Im Detail gehören dazu die herstellenden Industrien von Hardwarekomponenten sowie elektronischen Bauteile, Produktion und Fertigung sowie die Automobilindustrie, wo etwa die Hälfte der Unternehmen auf diese Maßnahme setzt.

Fast die Hälfte der Befragten sind in den vergangenen zwölf Monaten zum Just-in-Time-Konzept zurückgekehrt. Trotzdem bestücken sie ihre Lagerhallen nach wie vor mit den wichtigsten Komponenten. Besonders die Elektronik- und Hardware- sowie die Textilindustrie, der Sektoren Transport und Spedition sowie Luft- und Raumfahrt setzen auf diese Kombination. Die Rückkehr zu Just-in-Time ist eine Bestätigung der Ergebnisse der Reichelt-Umfrage von 2022, worin über die Hälfte der Unternehmen sich vorstellen konnten, wieder auf diese Strategie zu setzen.

Versorgung verbessert

Trotz der anhaltend volatilen Lieferkette hat sich die Beschaffung von Komponenten und Materialien in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert, nur noch 44 Prozent haben Schwierigkeiten damit. Anfang 2022 gaben noch über 89 Prozent an, dass sie im Vorjahr vor diesem Problem standen. Besonders gefürchtet ist der Preisanstieg für kritische Komponenten, anstelle von 62 Prozent der Unternehmen im Jahre 2022 sind es nun 73 Prozent. Die Sorge um den Fachkräftemangel (61 Prozent) ist wieder präsenter, während die Sorge um Lieferengpässe bei kritischen Komponenten wie Mikroelektronik zurückgegangen ist (57 Prozent). Die Angst vor der Inflation ist allgegenwärtig – 61 Prozent der Teilnehmer sehen diese als Risikofaktor.

Der Lieferkettenreport hebt besonders eine neue Strategie hervor, die neben der Erhöhung der Lagerbestände im Jahr 2023 besonders wichtig ist, um den Lieferkettenengpässen die Stirn zu bieten und ihre Resilienz aufzubauen oder zu erhalten: Ein Großteil der Unternehmen (90 Prozent) sieht die Diversifizierung der Lieferanten als Kernstrategie. Die deutsche Industrie favorisiert auch Onshoring, also der Wechsel zu lokalen Lieferanten (81 Prozent) und die Umstellung auf kostengünstigere Lieferanten (80 Prozent). Mit diesen Strategien, sich von einzelnen Lieferanten sowie welt- und handelspolitischen Ereignissen unabhängig zu machen, soll die Versorgungssicherheit der Ressourcen und Bauteile garantiert werden.

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