Fachkräftemangel in den Ingenieur- und Informatikberufen

Jährlicher Wertschöpfungsverlust von 13 Milliarden Euro

Im ersten Quartal 2024 ist die Gesamtzahl an offenen Stellen in Ingenieurberufen im Vorjahresvergleich um 15,6 Prozent auf 148.000 gesunken, bleibt aber weiterhin auf hohem Niveau.

Aus welchen Ländern kommen die meisten Ingenieure und Informatiker nach Deutschland?. (Bild VDI e.V)

Aus welchen Ländern kommen die meisten Ingenieure und Informatiker nach Deutschland? (Bild VDI e.V)

Der Bedarf an Ingenieurinnen und Ingenieuren ist insbesondere aufgrund der Herausforderungen durch Digitalisierung und Transformation weiterhin sehr hoch. Trotz einer um 15,6 Prozent gesunkenen Zahl an offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr leidet der Standort Deutschland weiterhin unter starkem Fachkräftemangel in den Ingenieurberufen. Entlastung bringt der seit 2012 deutlich gestiegene Anteil ausländischer Ingenieurinnen und Ingenieure, von dem vor allem süd- und ostdeutsche Bundesländer profitieren. Die aktuell fehlenden Beschäftigten in den Ingenieur- und Informatikberufen führen zu einem jährlichen Wertschöpfungsverlust von etwa 9 bis 13 Milliarden Euro. Das sind die zentralen Ergebnisse des gemeinsamen Ingenieurmonitors von VDI und IW zum Thema Fachkräftemangel und ausländische Beschäftigte im deutschen Arbeitsmarkt.

Im ersten Quartal 2024 ist die Gesamtzahl an offenen Stellen in Ingenieurberufen im Vorjahresvergleich um 15,6 Prozent auf 148.000 gesunken, bleibt aber weiterhin auf hohem Niveau. „Der Rückgang ist sicherlich auch auf die wirtschaftliche Situation zurückzuführen, in der Unternehmen mit Neueinstellungen zurückhaltend sind. Dennoch gibt es positive Signale“, sagt VDI-Direktor Adrian Willig.

Die Engpasskennziffer (offene Stellen je 100 Arbeitslose) liegt unverändert bei 333. Die größten Engpässe bestehen bei Ingenieurberufen in den Bereichen Energie- und Elektrotechnik (Engpassrelation 558), Bau/Vermessung/Gebäudetechnik und Architektur (Engpassrelation 433) sowie Maschinen- und Fahrzeugtechnik (368) und Informatik (303).

Positiv entwickelt hat sich vor allem die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte (ohne Flüchtlingsländer und UK) auf den deutschen Arbeitsmarkt. „In den kommenden Jahren wird durch Digitalisierung und Klimaschutz der Bedarf an Beschäftigten in Ingenieur- und Informatikberufen weiter ansteigen. Der Fachkräftemangel kann nur durch vielfältige Anstrengungen abgefedert werden. Wir müssen mehr junge Menschen und auch Frauen für den Ingenieurberuf begeistern. Von der Batterie bis zum Windrad: Überall können Ingenieure und Ingenieurinnen essenzielle Beiträge für unseren Innovationsstandort leisten. Klar ist auch, dass wir eine vermehrte Zuwanderung von Ingenieurinnen und Ingenieuren brauchen, sagt VDI-Direktor Adrian Willig. „Und hier sind wir erfreulicherweise auf einem guten Weg.“ Denn die Zuwanderung in den letzten Jahren hat erheblich zur Sicherung der Fachkräfte in den Ingenieur- und Informatikberufen beigetragen.

Von Ende 2012 bis September 2023 stieg die absolute Zahl der ausländischen Beschäftigten in Ingenieurberufen von 46.489  auf 114.648  und damit um 146,6 Prozent. Der Anteil ausländischer Ingenieurbeschäftigter an allen Ingenieurbeschäftigten stieg so in diesem Zeitraum prozentual von 6 Prozent auf 11 Prozent.

Vom gesamten Beschäftigungszuwachs in Ingenieurberufen (263.760 Beschäftigte) entfielen rund 26 Prozent (68.159 Beschäftigte) auf zugewanderte Fachkräfte. Die meisten von ihnen kommen aus Indien, der Türkei, Italien, China, Frankreich und Spanien. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der sozialversicherungspflichtig in akademischen MINT-Berufen Beschäftigten liegt zwischen 5.411 € (25-44 Jahre) und 6.750 € (45+). Gleichzeitig stammen 13 Prozent der 2020 angemeldeten Patente in Deutschland von ausländischen Fachkräften. „Wir müssen den deutschen Standort noch attraktiver machen, indem wir bürokratische Hürden abbauen, die Fachkräfte zum Kommen und ausländische Studierende in MINT-Fächern zum Bleiben bewegen“, bekräftigt der VDI-Direktor.

„Die Wertschöpfungsverluste wären ohne Zuwanderung deutlich höher“, ergänzt Prof. Axel Plünnecke vom IW. „Ohne die hohe Dynamik bei der Beschäftigung von ausländischen Fachkräften in Ingenieur- und Informatikberufen wäre die Anzahl der fehlenden Beschäftigten in diesen Berufen und damit der Wertschöpfungsverlust durch den Mangel in Ingenieur- und Informatikberufen gut doppelt so hoch“, führt er weiter aus.

Besonders Süd- und Ostdeutschland profitieren von ausländischen Beschäftigten

Die höchsten Anteile ausländischer Beschäftigter in Ingenieurberufen finden sich in Bayern, Hessen, Thüringen, Brandenburg und Berlin.

„Vor allem im forschungs- und patentstarken Großraum München hat sich die Zuwanderung als wichtiger Faktor für die Fachkräftesicherung erwiesen“, sagt Plünnecke. „Hier arbeiten mit 11.681 Personen die meisten ausländischen Ingenieurinnen und Ingenieure – und damit mehr als in ganz Hessen und fast doppelt so viele wie Niedersachsen.” Insgesamt haben im Landkreis München 23,7 Prozent der in Ingenieurberufen Beschäftigten eine ausländische Staatsangehörigkeit, Starnberg verzeichnet den bundesweit höchsten Wert von 29,3 Prozent.

Auch in anderen Regionen ist der Anteil ausländischer Beschäftigter hoch: Der Ilm-Kreis in Thüringen kommt auf 25,1 Prozent, der Main-Taunus-Kreis auf 23,4 Prozent und die Region um Frankfurt an der Oder auf 22,8 Prozent. Unter den zwölf Kreisen/Städten mit den höchsten Anteilen von ausländischen Staatsangehörigen an der sozialversicherungspflichten Beschäftigung in Ingenieurberufen sind sechs in Bayern, drei in Hessen und je einer in Thüringen, Brandenburg und Berlin.

Das könnte Sie auch interessieren

In Deutschland fehlen Fachkräfte. Ein Weg, um die Lücken zumindest ein wenig zu schließen: Ausbildung. Vor allem in den MINT-Berufen ist Nachwuchs gefragt. Wie aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hervorgeht, bilden hier Unternehmen besonders intensiv aus.‣ weiterlesen

Der weltweite Wettbewerb mit chinesischen Unternehmen wird härter, da die Produkte aus Fernost besser werden und fast immer günstiger sind. Aber Chinas Industrie profitiert auch von Subventionen auf breiter Front. Eine vom VDMA beauftragte Studie bilanziert die Wettbewerbsposition Chinas auf den Weltmärkten im Maschinen- und Anlagenbau und zeigt Handlungsoptionen auf.‣ weiterlesen

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Gesundheit verschiedener Beschäftigungsgruppen aus? Dieser Frage ist das ZEW Mannheim nachgegangen und kommt zu dem Ergebnis, dass sich vor allem der Gesundheitszustand von Arbeitern verschlechtert.‣ weiterlesen

Die strukturelle Verbesserung der Kosten und Profitabiltät steht für große Industrieunternehmen in diesem Jahr ganz oben auf der Managementagenda. Für zwei Drittel der Vorstände hat das Thema laut einer Studie der Managementberatung Horváth größte Bedeutung. Im Zuge dessen setzt sich die Deglobalisierung der Unternehmen fort: aus Exportweltmeistern werden transnationale Organisationen. Deutschland profitiert hier laut der Studie nicht. ‣ weiterlesen

Um die Produktivität sowie die Zufriedenheit der Beschäftigten zu verbessern, setzen Employee-Experience-Führungskräfte laut einer Befragung des Softwareanbieters Zendesk vermehrt auf KI – die Mehrheit der Befragten beobachtet dadurch bereits Verbesserungen der Arbeitsqualität. ‣ weiterlesen

Während viele Arbeitnehmende davon ausgehen, dass ihre aktuellen Kompetenzen auch für künftige Herausforderungen am Arbeitsmarkt ausreichen, zeichnet sich auf Seiten der Arbeitgebenden ein anderes Bild. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen sehen hier einen Nachqualifizierungsbedarf.‣ weiterlesen

Mehr als die Hälfte der für eine ProAlpha-Studie befragten Unternehmen plant, Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern. Der Grund: nationale sowie internationale Regulierungen wie etwa das deutsche Lieferkettengesetz.‣ weiterlesen

Zwar ist die Fachkräftelücke im MINT-Bereich im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Dennoch konnten laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft mindestens 235.400 Stellen nicht besetzt werden.‣ weiterlesen

Nach Bitkom-Berechnungen fehlen bis zum Jahr 2040 mehr als 660.000 IT-Fachkräfte. Welche Maßnahmen helfen könnten, diesem Trend entgegenzuwirken, hat der Verband beleuchtet. Potenziale liegen unter anderem darin, mehr Frauen für IT-Berufe zu begeistern oder den Quereinstieg zu erleichtern.‣ weiterlesen

Jeder zweite Betrieb investiert laut einer Betriebsräte-Befragung der IG Metall zu wenig am Standort. Demnach verfügen rund 48 Prozent der Unternehmen über eine Transformationsstrategie. Zudem sehen die Betriebsräte ein erhöhtes Risiko für Verlagerungen.‣ weiterlesen

Die Zahl der offenen Stellen in den Ingenieurberufen ist trotz konjunktureller Eintrübung hoch. Laut VDI Ingenieurmonitor beginnen allerdings weniger Menschen ein Studium in Ingenieurwissenschaften und Informatik.‣ weiterlesen