Verwaltungsschalen statt PLM-System

Verwaltungsschalen statt PLM-System

Bei der Planung von Maschinen und Anlagen arbeiten viele Domänen einander zu. Das erschwert den Datenaustausch. Zwar unterstützen Product-Lifecycle-Management-Systeme (PLM), diese sind aber oft aufwendig in ihrer Integration. Mit einer selbst entwickelten Software will das Fraunhofer IFF nun eine Alternative bieten.
Im Planungsprozess von Maschinen und Anlagen sind viele Akteure, wie Statiker, Elektriker, Layoutplaner, Logistiker und Ingenieure zu verschiedenen Zeitpunkten involviert. Sie nutzen unterschiedliche Software, was effizienten Datenaustausch erschwert. Im Rahmen eines Forschungsprojektes hat das Fraunhofer IFF eine Anwendung entwickelt, die alle genutzten Systeme innerhalb eines Produktlebenszyklus miteinander vernetzt. Damit wollen die Forschenden den Datenaustausch von der Planung über die Produktion bis hin zum End-of-Life ermöglichen. Die Software des Fraunhofer IFF setzt auf die Verwaltungsschale (englisch: Asset Administration Shell oder AAS), um Daten über standardisierte Schnittstellen bereitzustellen und zusammenzuführen. Über den AAS-Thread werden diese Daten zwischen den einzelnen AAS ausgetauscht. Akteure können über einen Browser auf Daten zugreifen, diese in eigenen Client-AAS zusammenstellen und nutzen.

Vernetzt in der Planungsphase

Mit Blick auf die unterschiedlichen Planungsprozesse und die eingesetzte Software fallen große und oft nicht kompatible Datenmengen an. Um diese sinnvoll zur Verfügung zu stellen, mussten die Forschenden zunächst Grundsatzfragen klären, etwa welche Datenquellen es überhaupt gibt. Ebenso musste Klarheit darüber bestehen, wo die Datenquellen verortet sind, in welchen Strukturen und wie diese auffindbar sind. Letztlich musste auch die Art der Datennutzung geklärt werden: Wer braucht beispielsweise welche Daten und wie gelangen diese zum Nutzer?

Product-Lifecycle-Management-Systeme (PLM) bieten eine solche digitale Vernetzung über zahlreiche Kommunikationsprotokolle und Datenbanken an. Diese haben allerdings auch oft unerwünschte Effekte wie etwa die Verwechslung oder falsche Interpretation von Daten, die zentrale Sammlung aller Daten in einer Cloud, die mehrfache Existenz gleicher Daten und das Einzelmapping aller Datenpunkte von den Quellen ins PLM-System. Auch müssen neue Datenquellen aufwendig integriert werden, weil es oft keine flexible, modulare Architektur gibt.

Hier verspricht die Verwaltungsschale Abhilfe. Als standardisierter digitaler Zwilling macht die AAS Produktionsdaten von Ressourcen wie Maschinen, Anlagen und Sensoren in einer standardisierten und semantisch beschriebenen Struktur abrufbar oder diese auch steuerbar. Sie wirkt als Software-Layer zur Integration von Datenquellen und Systemen. Weiterhin wird die AAS von der Industrial Digital Twin Association (IDTA) in sogenannten Teilmodellen standardisiert. Die IDTA beschreibt zu jedem Datenpunkt einer AAS eine eigene Schnittstelle (API) um den Wert abzurufen oder zu verändern. Ziel ist, die Erstellung und Nutzung von Verwaltungsschalen anwendungsfallbezogen zu standardisieren und somit zu vereinfachen.

Der AAS-Thread

Die Forschenden am Fraunhofer IFF nutzen die AAS, um einen Digital Thread am Beispiel eines Produkts in der Luftfahrtindustrie umzusetzen. Im Herzen des Digital Thread steht der AAS-Thread. Dieser kann als eine leistungsfähige Datenautobahn zwischen den einzelnen AAS beschrieben werden. Die in der jeweiligen Lebenszyklusphase genutzten Systeme stellen ihre Datenquellen dabei mittels AAS zur Verfügung. Somit befinden sich alle Daten in standardisierten Umgebungen. Die Funktionalitäten der einzelnen AAS werden durch Teilmodelle beschrieben. Nutzer können mittels eines Browsers alle vorhandenen AAS nach dem Inhalt aller Datenquellen durchsuchen. Mit einem Konfigurator können sie auch eigene Client-AAS mit Werten aus verschiedenen Datenquellen bzw. der Quell-AAS zusammenstellen.

Weiterhin kann bei der AAS jeder Wert mit einer SemanticID versehen werden. In öffentlichen Katalogen befindet sich hinter jeder SemanticID eine eindeutige Beschreibung, was mit diesem Wert gemeint ist. Kataloge wie Eclass enthalten bis zu 50.000 Einträge, die genutzt werden können. Diese Kataloge tragen den Gedanken der durchgängigen Standardisierung weiter bis in die Metaebene der Daten. Diese Werte der Datenquellen können nun genutzt werden, um damit zu arbeiten. Die daraus entstehenden Output-Daten werden wiederum durch AAS für weitere Nutzung zur Verfügung gestellt. Auch können weitere zugriffsberechtigte Akteure diese Daten nutzen.

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